Die neue Spielzeit der Oper Köln – ein letztes Jahr im Staatenhaus!?

Ein pralles Programm präsentieren der Intendant der Oper Köln Hein Mulders und GMD François Xavier Roth für die Spielzeit 2023/24. Es deckt förmlich alle Genres des Musiktheaters über mehr als 400 Jahre ab: Monteverdi, zweimal Mozart, Donizetti und Verdi sowie zwei aktuellen Neukompositionen, einer Operette und zwei konzertanten Aufführungen. Was steht im Einzelnen auf dem Plan?

Young Woo Kim – Die große Stimme aus Südkorea

Mit 18 Jahren begann sein musikalisches Leben. Spät zwar, aber ein Glück für alle, die sich heute an seiner herrlichen Stimme erfreuen. Das Publikum feiert Young Woo Kim, wenn der junge Koreaner seine große, auch in den hohen Lagen fein modulierte Stimme in den berühmten Tenorpartien erklingen lässt. Ein Glück aber auch für ihn, der seinen Sängerberuf und sein Leben in Deutschland über alles liebt.

Sibirien – Auf Spurensuche

Siberia reimt sich im Libretto auf miseria – damit ist der Grundton für Umberto Giordanos Oper Sibiren gesetzt. Grenzenloses Leid stellt sich auf drei Ebenen dar: Die Liebe des ungleichen Paars findet ihr jähes Ende im gewaltsamen Tod der Protagonistin, Hunger, Kälte und härteste Arbeit kennzeichnen das Leben der Menschen in den sibirischen Gefangenenlagern und eine zeitgenössische Frau begibt sich auf die sehnsüchtige und leidvolle Suche nach dem Verbleib der Eltern. Das Bonner Publikum feiert die Premiere dieser in den Nachkriegsjahren kaum gespielten Oper mit Riesenapplaus und stehenden Ovationen: Die berauschende Musik, der fantastische Gesang und ein kühnes, äußerst stimmiges Regiekonzept beweisen wieder einmal das Geschick der Oper Bonn im Wiederbeleben (fast) vergessener Werke.

AGRIPPINA – Mit den Waffen einer Frau – live auf der Bühne der Oper Bonn

Jubelrufe hallen durch die Lagunenstadt. Die Venezianer huldigen einem Ausländer. Noch nie galt solch ein Applaus einem fremden Komponisten, nie zuvor begeisterte ein Deutscher das verwöhnte Patrizierpublikum der Freien Republik Venedig. „Viva il caro Sassone!“ – Hoch lebe der liebe Sachse! Offensichtlich hatte erst 24-jährige Georg Friedrich Händel, der gerade von England aus bis nach Neapel gereist war, um die Tradition der italienischen Oper zu studieren, einen Nerv getroffen. 1709 feierte Agrippina Premiere und das Entzücken lag gleichermaßen in der Musik wie im Libretto begründet. Was genau riss die Venezianer von den Stühlen? Worin lag die Sensation?

Marie Heeschen – Sopranistin zwischen Dada-Bäumchen und Barock-Canzonetta

Ausgezeichnet – diese Prädikat trifft auf jede Performance der Sängerin Marie Heeschen immer und in jedem Genre zu. Ausgezeichnet wurde sie nun mit dem Preis der Opernfreunde Bonn 2023. Für die Ehre bedankte sie sich mit einem außergewöhnlichen Konzert, einem exquisiten Liederabend. Am Flügel begleitet von Sandra Urba, mit der sie offensichtlich eine im wahrsten Sinne des Wortes harmonische Freundschaft verbindet.

Weihnachten 2022

Weltfrieden – das wär’s! Mein größter Wunsch! Und wie könnten wir diesen Wunschgedanken besser um die Welt schicken als mit der sehr stillen Hymne für den Frieden vom Philosophen unter den Pop-Ikonen. John Lennon schrieb dieses „Libretto“ für ein großes Szenario bereits 1971 – auch heute anrührend und aktuell wie in den letzten 50 Jahren und sicher auch in den nächsten. Hier also die Lyrics des nicht einmal drei Minuten langen Songs von Lennons Weltfriedensbotschaft IMAGINE.*

LA CENERENTOLA – Liebe auf den ersten Blick

Respekt, Liebe und Güte – die Trias der klassischen romcom, der romantic comedy. Pretty Woman lässt grüßen. Da zieht ein hübscher Prinz übers Land, um im Nullkommanix eine passende Frau zu finden. Dann schlägt die Liebe ein wie ein Blitz. Und im Märchen wie in der romantischen Komödie lösen sich alle Widrigkeiten und Verwicklungen auf – sie kriegen sich. Wenn dazu die berauschend spritzige Musik von Gioacchino Rossini in seinem Dramma giocoso La Cenerentola erklingt, darf man sich im Staatenhaus auf einen fulminanten Abend in der Oper Köln freuen.

Leonardo Caimi – Aus Kalabrien in die internationale Opernwelt

Eine verstohlene Träne entschied über seine Karriere als Sänger. In einem Wettbewerb in Treviso präsentierte Leonardo Caimi die Parade-Arie für junge Tenöre „Una furtiva lagrima“ aus der Oper L’elisir d’amore von Gaetano Donizetti. Wie ein Nemorino findet der junge Student schicksalhaft sein Glück. Denn die Jury war spontan von seiner wunderbaren Stimme überzeugt und man bat ihn, die Arie „Si ritrovarla io giuro“ des Don Ramiro aus Rossinis La Cenerentola unvorbereitet vom Blatt zu singen. Er kam, sang und siegte – nicht von ungefähr ähnlich dem legendären Spruch von Julius Caesar, dessen Geburtstag er teilt.

Un ballo in maschera – Alle spielen Theater

Die ganze Welt ist eine Bühne – das hat William Shakespeare vor gut 400 Jahren in seiner Komödie As You like It dem modernen Menschen ins Stammbuch geschrieben. Wir alle spielen mit, haben Auftritte und Abgänge. Nun brennt Regisseur Sir David Pountney an der Oper Bonn mit Un ballo in maschera ein Theaterfeuerwerk ab. Wie in einer russischen Matrjoschka gibt es Theater im Theater im Theater … bis hin zur Kinderzimmerkiste des Kasperle-Theaters. Nimmt der renommierte Brite sein eigenes Metier nicht ernst? Oder lässt er seiner Freude an Verkleidungen, Masken, Umhängen, coups de théâtre, kurz seinem Spieltrieb freien Lauf? Let’s see.

Speculum Maius – Die Welt im Spiegel

Sphärenklänge der Streicher umwabern entferntes Sprechen. Eine tiefe Frauenstimme murmelt Worte oder Sätze, dazu flüstert eine Männerstimme Unverständliches. Pizzicati der Geigen akzentuieren die Textfragemente. Sirenenklänge der beiden Violinen und Celli begleiten dialogisch-reflektierend die Arbeit der Mönchsgestalt. Dunkle Worte steigen aus dem Arbeitszimmer auf, in dem quasi-naturwissenschaftliche Experimente bei ständigem Strömen von Wasserdampf auf dem Aktionsplan stehen. Ein Alchimistenlabor und darin ein Gelehrter, der an einem enzyklopädischen Kompendium zur Erklärung der Natur arbeitet. Die Bücher allerdings stehen alle mit den Rücken zur Wand, die aufgefächerten Blätter blicken in den Raum. Ein iPhone, im Ringlicht gefangen, spiegelt den work in progress. Hier entsteht das Wissen der Welt – eines Intellektuellen, Instagrammers, Influencers?