Anna Princeva – von der Konzertpianistin zur Operndiva

Die Wimperntusche rinnt in kleinen Bächen über die Wangen. Tränenüberströmt sitzt eine junge Frau im Parkett. In ihrem Inneren so tief berührt, dass die Kommilitonen sie wie aus einer Trance zurückholen müssen. Was war passiert? Anna Princeva, Musikstudentin mit Schwerpunkt Klavier, hospitiert in der Oper und hört, sieht, erlebt Tosca. Und es ist um sie geschehen. 

Dieser Episode vorausgegangen war schon in der Familie ein Ringen darum, wie die kleine Anna ihr musikalisches Talent entwickeln sollte. Sie favorisierte die Geige, die strenge Mutter setzt sie ans Klavier. In der Zeit der Perestroika gab es in Sankt Petersburg kein Brot zu essen, geschweige denn Geld für ein weiteres Instrument. Also üben, üben, üben, daneben Ballett und schließlich die Zulassung für das Konservatorium. Das „Wunderkind“ mausert sich zur gefragten Konzertpianistin und besucht – obligatorisch für den Studiengang – die Oper. Etwas abgehoben steigt sie mit der gängigen Haltung ein: Sängerinnen und Sänger sind musikalische Analphabeten; sie wissen nicht wirklich, was sie tun.

Weit gefehlt, sehr weit sogar. Ihre Liebe zu Puccini blüht auf wie die zu Rachmaninov, später auch Verdi. Ade Sankt Petersburg – mit 19 Jahren zieht sie nach Italien, absolviert ihre Ausbildung als Opernsängerin, legt das Examen ab … und kehrt zunächst mal der Musik den Rücken. Naja, sie nimmt eine CD mit Pop-Songs auf und will vom Opernbetrieb so recht nichts wissen. Stimmbänder sind auch nur Muskeln, und wenn die erst mal untrainiert erschlafft sind, bedeutet eine Rückkehr auf die Bühne vor allem hartes Training. Mit 28 dann ein Sensationserfolg als Gilda im Rigoletto . 

Heute lebt sie mit ihrem Mann in Wien und hat Engagements in ganz Europa bis hin zum Sydney Oper House in Australien. DSC_0459 (2).jpg„Home base“ wäre vielleicht angemessener. Denn die weit auseinanderliegenden Engagements in verschiedenen Städten bedeuten in erste Linie ein Leben aus dem Koffer. Das Unstete gefällt ihr aber ganz besonders an ihrem Beruf. Jeden Tag ins Büro, in der selben Stadt, mit den selben Leuten, zum selben Thema? Nichts für sie; die Neugier auf Unbekanntes spricht aus ihrem Blick. Immer wieder zu neuen Ufern aufbrechen lautet ihr Motto.

Die Konstante bilden  die Liebe zur Musik und zu den Menschen. „Ach weißt du,“ sagt sie, „wenn Menschen mir nach einer Aufführung gratulieren, weil mir das hohe C gut gelungen ist, weiß ich, dass sie sich für Technik interessieren. Wenn aber jemand kommt und gesteht, er habe am Ende geweint, weil ihn mein Gesang und mein Spiel so berührt habe, dann bin ich glücklich.“

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Ein paar Fragen zur Technik habe ich dennoch. Wir sitzen uns beim Spätstück gegenüber. Verzichten beide auf Fleisch und Schinken, machen uns aber hungrig über Rührei und Käsebrötchen her. „Ein gutes Frühstück dauert bei mir mindestens eine Stunde“, erklärt sie. „Deshalb bedeuten Proben um 10:00 Uhr morgens ein echtes Problem für mich. Ich stehe dann eher sehr, sehr früh schon auf, um eine gutes Depot anzulegen.“ Wie schaffen Sängerinnen und Sänger es überhaupt, so gut bei Figur zu bleiben, bei dem eher ungesunden Lebensrhythmus? „Also, zwei drei Stunden vor dem Auftritt essen wir etwas Substanzielles. Ich brauche Pasta, also langanhaltende Kohlenhydrate, die mich durch den Abend bringen.“ Einige der Kollegen genehmigen sich wohl auch schon mal ein großes Bier. Offiziell der sättigenden Wirkung wegen – es mag aber auch dazu dienen, das Nervenflattern unter Kontrolle zu bringen. Double effect!

Anna lacht und erzählt von ihrem Plan, auch unter die Blogger zu gehen. Aha, Kolleginnen also demnächst. „Weißt du, all‘ deine Fragen sind solche, die auch Nachwuchssänger stellen. Ich erhielt kürzlich eine Einladung, in Italien eine Meisterklasse zu unterrichten. Dort werde ich aber nicht über Gesangstechnik referieren, sondern die life hacks des Sängerbetriebs diskutieren. Ich dachte, ich käme so auf 10 – 20 Themen; mittlerweile haben sich bereits mehr als 100 Aspekte angesammelt. Und die will ich auch dem Nachwuchs öffnen.“

Von den Mahlzeiten, dem Ernährungsplan führt der direkte Weg zum Reflux. Ein Problem, mit dem sich viele im Sängerberuf plagen, weil das Zwerchfell beim Singen einer der zentralen Orte des Geschehens ist. Wenn also Säure aufsteigt, beeinträchtigt das die Stimmbänder, sie schließen nicht richtig. Unangenehm, schmerzhaft, hinderlich.

Apropos – aus professionellem Interesse schaut sie sich immer wieder Aufführungen an anderen Opern an. Nur Vorsicht sei geboten, meint sie, wenn man selber gerade eine der Partien einstudiert hat. „Ob du es glaubst oder nicht, nach so einem Opernbesuch bin ich richtig erschöpft. Meine Stimme singt irgendwie stumm mit. Ich kann mich nicht dagegen wehren.“ Schon sind wir bei der Neurobiologie. Wie unsere Neuronen über die Verknüpfung der Synapsen ohne eine muskuläre Regung Symptome hervorrufen, die physisch nicht vorliegen. Ein spannendes Thema!

Aber wir kehren zur Musik zurück. Anna vergleicht die Professionalität und Amateurliebhaberei mit dem Unterschied zwischen einem Weinconnoisseur und einem Laien. „Früher kannte ich beim Wein nur Schaumwein (oder „Sprudel“, eine Bezeichnung, die selbst in Wien mittlerweile verpönt ist), Weißwein süß oder herb und roten. Punkt. Mein Mann hat mich in hohe Kunst der feinen Unterschiede eingeführt und mir gezeigt, dass es Beeren, Petroleum oder manchmal auch Katzenpipi herauszuschmecken gibt.“ Wie in der darstellenden Kunst auch gilt: Wir sehen nur, was wir kennen. Wir hören nur, was wir erkennen.

Von ihrem sensationellen Erfolg in Verdis I due Foscari ist sie immer noch absolut geflasht. „Ich habe ja bereits mehrfach mit Maestro Humburg zusammengearbeitet. Wir schätzen einander sehr. Er holt aus dem Orchester und aus Verdi das Optimum raus und gibt uns Sängern viel Raum.“ Nun überschlugen sich die Rezensionen vor Begeisterung über Annas Interpretation der leidenschaftlichen Lucrezia – und das macht sie ganz glücklich: in einem großartigen cast sich gegenseitig zu solchen Erfolgen zu beflügeln!

Humburg hatte bereits zuvor Annas herausragende Musikalität (Konzertpianistin) und ihre großartige Schauspielkunst – neben ihren sängerischen Qualitäten selbstverständlich – hervorgehoben. Ihre Nuancen im Spiel zeigen sich auch im vis-à-vis im informellen Rahmen. Ihre wunderschönen Hände unterstreichen ihre Sprache (ein tolles Deutsch mit leichtem Wiener Einschlag), ihre Gesten sehr natürlich und stimmig mit dem Redefluss. Eine Vokabel prägt sich mir – vermutlich für immer – ein. In den hohen Lagen im pianissimo vergisst sie alle Technik. Ihr erscheint ein „Himmelslicht“. Sehr poetisch! Und wem sich das vermittelt, der trägt das Opernglück in seinem Herzen.

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Zurück auf den Boden der Tatsachen. Vom girls‘ talk über fashion items und nude Töne für Accessoires wie Handtaschen, über italienische Mode und das Licht an der Adria noch mal zum Bloggen. „Brauche ich wie du eine schwere Kamera für die Fotos in meinem Blog?“ will Anna wissen. Ach was – ich weihe sie in einen Handy-Trick ein, mit dem die Fotos auch ganz ordentlich werden. Schließlich geht es im Blog um content, nicht um Visualisieren. Dazu haben wir Instagramm und ein Instalife. Die Queen of Selfies habe ich sie schon genannt. Jetzt aber kommt die Diva vor der Linse ins Spiel. Anna paart ihre Schönheit mit ihrer Professionalität vor der Kamera – wie ihr hier seht.

Was sind ihre nächsten Pläne? Erst mal die Spielzeit gut absolvieren. Drei große Partien parallel bedeuten auch für sie eine Herausforderung: in Bonn die Lucrezia in den Foscari und die Contessa im Figaro sowie in Nürnberg die Violetta in der Traviata. In der nächsten Spielzeit freuen wir uns auf die Wiederaufnahme von Jerusalem und die Sizilianische Vesper von Verdi, wieder mit Will Humburg am Pult.

Anna Princeva glänzt als Lucrezia Foscari am 11. Mai 2018 das nächste Mal in der Oper Bonn, danach an acht weiteren Terminen bis Mitte Juli, darüber hinaus nur noch am 1. Juni 2018  als Contessa Almaviva in der Hochzeit des Figaro.

Karten wie immer hier.

 

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