Der Frosch in Johann Strauss‘ Fledermaus – die Keimzelle für alle 3. Akt-Komiker der Wiener Operette und eine Traumrolle für Christoph Wagner-Trenkwitz, der nunmehr in der zweiten Spielzeit das Bonner Publikum mit dem slivovitzgetränkten Granteln dieses Gefängnisdieners erfreut. Seinen gut 10-minütigen Monolog, gespickt mit tagesaktuellen satirischen Anekdoten, schreibt CWT, wie er gern seine Nachrichten unterzeichnet, stets selbst. Und präsentiert diese komische Gestalt so hinreißend, dass er für die übernächste Saison an zwei Bühnen seines Heimatlands Österreichs Angebote hat, den Frosch zu verkörpern.
Angefangen hat eigentlich alles beim österreichischen Bundesheer. So wie die alpenländischen Streitkräfte global nicht wirklich ernst genommen werden, fühlte Christoph Wagner-Trenkwitz sich dort wohl, flog gleichermaßen unter dem Radar und gewann dem Militärischen eher die komische Seite ab. Was dazu führte, dass er ohne jeden Aufstieg und höheren Rang den Militärdienst auch wieder verließ. Das will auch schon etwas heißen, wo doch in Österreich Titel nahezu inflationär vergeben werden und man ohne eher wenig darstellt.
Allerdings bahnte sich hier der erste Bühnenauftritt in einem Kabarettprogramm an. Das Lampenfieber packte ihn vor der allerersten Premiere dermaßen, dass ihn zwei Gedanken plagten: Erstens wie viel lieber säße er jetzt mit den vielen unten im Publikum. Und zweitens saß ihm das italienische „Ma chi me lo fa fare“ im Nacken. Auf Österreichisch „Wer hat mir das angeschafft“ und auf gut Deutsch „Bin ich eigentlich bescheuert, dass ich mir das antue?“ Aus diesen Selbstzweifeln wurde eine Profession, von großem Erfolg gekrönt.
Das Elternhaus bot im Grunde genommen alle Voraussetzungen für eine musikalische Karriere. Der Vater, ein Arzt, spielte Geige und Viola und hatte eine Gesangsausbildung. Die Mutter lernte er im Wiener Akademie-Kammerchor kennen. Ob es die spätpubertäre Rebellion war? Auf jeden Fall „inskribierte ich mich für Jus“, so CWT, nahm also sein Jurastudium auf. Fach- und wesensfremd, wie sich schnell herausstellte. Dann sollte es Soziologie und Politikwissenschaft sein, aber als Fachreferent in einem Ministerium oder gar in der Politik sah Wagner-Trenkwitz sich auch überhaupt nicht. Der dritte Studiengang führte dann zu einem Magister in Musikwissenschaft und legte den Grundstein für eine steile und vor allem sehr vielseitige Karriere.
Bereits mit 30 wurde er Pressechef, vier Jahre später Chefdramaturg der Wiener Staatsoper, einem Haus, das in einem Atemzug mit der Met, Covent Garden und der Mailänder Scala genannt wird. Große Herausforderung, große Verantwortung, aber immer „nur“ Oper bis auf Die Fledermaus zur Jahreswende. Ein Grund, in derselben Funktion an die Volksoper Wien zu wechseln, wo eine deutlich größere Bandbreite der künstlerischen Programme sehr viel unterschiedlichere Anforderungen an den Chefdramaturgen stellt. „Dramaturg – diese Stelle gibt es ja nur an deutschsprachigen Theatern“, so CWT. Da sorgt man mit dem Regisseur dafür, dass alle Handlungsstränge schlüssig dargestellt werden, auch dort, wo Komponist und Librettist Lücken ließen.“

Gleichzeitig entwickelte der Theatermensch Christoph Wagner-Trenkwitz nicht nur seine Expertise im dramatischen Arrangieren des Bühnengeschehens, sondern auch in der eigenen Darstellungskunst. „Als Schauspieler bezeichne ich mich nicht; die Entwicklung eines Tragödienhelden über zwei Stunden auf der Bühne zu verkörpern, das machen die ausgebildeten Experten besser.“ Wagner-Trenkwitz spielt sein komödiantisches Talent im Kabarett aus, verfolgt die spitzzüngige Satire und freut sich über jeden chaplinesken Moment, der gelingt. Und da bietet die Rolle des Frosch natürlich herrliche Gelegenheiten!
Das dickste Pfund, mit dem dieser vielseitige Künstler wuchern kann, ist seine tiefe, männliche Stimme. „Im Radio bin ich am schönsten“ kokettiert er ein wenig mit seinem kostbaren physischen Attribut. Seit gut 20 Jahren kommentiert er aus der „Kalauerkiste“ den Wiener Opernball und hält dabei wie ein Zirkusartist die filigrane Balance zwischen Verehrung für eines der österreichischen Nationalheiligtümer, den Opernball, und den spitzen ironischen Zwischentönen, die in Champagnerlaune so leichtfüßig daherkommen. Ein Stimmschmäh im Frack, den die feine Wiener Gesellschaft gern goutiert. Denn schlimmer, als eine kleine Spitze abzukriegen, ist doch, nicht erwähnt zu werden.
Sehr erfolgreich ist CWT auch als Moderator. „Das ist eine nicht zu unterschätzende Rolle. Man muss sich klarmachen, dass man dann nicht der Stargast ist, sondern für das Schmieröl in der Kommunikation sorgt. Natürlich ist man dann auch der gut vorbereitete Fachmann, aber eben kein professoral belehrender, der über die Köpfe des Publikums hinweg doziert.“ Das Bonner Publikum hatte das große Vergnügen, ihn in dieser Funktion bei der Einführung von Richard Strauss‘ Rosenkavalier zu erleben. Wie souverän er da zwischen dem musikalischen hors d’oeuvre von Franz Hawlata als Ochs von Lerchenau und einem kleinen Exkurs zu barocken Vanitas-Motiven, Andreas Gryphius und dem Buch Kohelet im Alten Testament wechselt – chapeau!
Den Erfolg dieser Matineen – jahrelang auch an der Wiener Staatsoper – verdankt er seinem Konzept der „Erzählshow“, das auch ausgezeichnet bei Künstlerporträts im Radio und TV oder in Interviews funktioniert. Wer selbst einmal das Vergnügen hat, ihm eineinhalb Stunden als Gesprächspartner gegenüberzusitzen, spürt seine Zugewandtheit, erfreut sich an seiner rhetorischen Finesse und bricht mit ihm in lautes Lachen aus. Anders als viele Künstler, die mit Komik ihr Publikum begeistern, aber im richtigen Leben sehr ernst ihrer Tätigkeit nachgehen, hat CWT auch Herz & Humor am rechten Fleck, das Hirn sowieso.
So wie wir im Gespräch hin- und herspringen zwischen Chronologie, Anekdoten und Plänen für die Zukunft, so akrobatisch jongliert CWT all‘ seine Aufgaben als absolutes Multitalent. Zur Präsenz hinter und auf der Bühne, am Mikrofon und auf dem Podium gesellen sich seine schriftstellerischen Erfolge. Zahllose Programmhefte für renommierte Häuser hat er erstellt, komplexe Inhalte auf den Punkt gebracht und in einer Art didaktischer Reduktion das Anliegen des jeweiligen Stücks für „normale“ Opernbesucher formuliert. Seine große Verehrung für den Komponisten von Der Rosenkavalier, Elektra und vielen anderen Opern findet in dem Buch Sie kannten Richard Strauss. Ein Genie in Nahaufnahme. ihren Ausdruck. Bücher über Verdi, den Wiener Opernball, die Wiener Philharmoniker bilden nur ein paar Highlights aus seinem umfangreichen journalistisch-schriftstellerischen Schaffen.
Im Juni steht für Christoph Wagner-Trenkwitz ein runder Geburtstag an. Und – Aug in Aug mit der nunmehr doch absehbaren Pensionierung – ein erneuter Szenenwechsel. Er übernimmt ab der der Spielzeit 2022/23 eine Dramaturgenstelle am Gärtnerplatztheater in München. Ein Wiener in München … aber natürlich nicht ganz! Er wird pendeln („Bei den Mietpreisen!“) und mit großem Tatendrang gemeinsam mit Josef Ernst Köpplinger, dem österreichischen Regisseur und Intendanten, dort neue Projekte verwirklichen. Da schließt sich dann der (Gesprächs-)Kreis. Köpplinger hatte ihn auch als Matinee-Moderator und Dramaturg für den Bonner Rosenkavalier unter seiner Regie eingeladen.

Zum Abschied überreicht er mir den Flyer für sein persönliches Sommertheater. Er tritt auf als Oberkellner Philippe, ein besonderes Exemplar der Spezies 3. Akt-Komiker, in der Operette Langenlois, als deren Intendant er seit Jahren die schönsten Wiener Operetten in die niederösterreichische Provinz bringt. Aus Richard Heubergers Feder stammt die Operette, die heuer gespielt wird: Der Opernball.
Christoph Wagner-Trenkwitz blickt – in Frack und Zylinder – charmant lächelnd vom Cover und spontan äußere ich, wie gern ich das Stück sähe. „Es wäre mir eine große Ehre“, antwortet er und ich bin versucht, das nicht für einen Wiener Schmäh zu halten, sondern für ein aufrichtiges Resümee unseres wunderbaren Gesprächs.
Die Oper Bonn spielt Die Fledermaus noch dreimal, am 6. und 26. Mai sowie am 16. Juni 2022. Infos und Karten gibt es hier.
Fabelhaft geschrieben – wie so oft…
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