
Ein pralles Programm präsentieren der Intendant der Oper Köln Hein Mulders und GMD François Xavier Roth für die Spielzeit 2023/24. Es deckt förmlich alle Genres des Musiktheaters über mehr als 400 Jahre ab: Monteverdi, zweimal Mozart, Donizetti und Verdi sowie zwei aktuellen Neukompositionen, einer Operette und zwei konzertanten Aufführungen. Was steht im Einzelnen auf dem Plan?
Einen ähnlich fulminanten Auftakt wie mit Les Troyens im September 2022 versprechen sich die Verantwortlichen mit Richard Strauss‘ Frau ohne Schatten in diesem Jahr. Mit dem dramatischen Sopran der Amerikanerin Lise Lindstrom wird die Geschichte neu als Frauenstück erzählt mit der zukunftsweisenden Frage, welche Verantwortung die jetzige Generation für die folgende trägt.
Die beiden Uraufführungen der kommenden Spielzeit waren durch den Komponisten Frank Pesci und die Regisseurin und Librettistin Katharina Schmitt auf dem Podium vertreten. Frank Pesci erzählt in The Strangers ein Immigrationsepos auf zwei Ebenen: Sizilianische Einwanderer werden in New Orleans beschuldigt, den Polizeichef ermordet zu haben. Die Vorwürfe erweisen sich als haltlos, aber es stehen die Hoffnung der Neuen und der Stolz der Alten einander feindlich gegenüber. Gespiegelt wird der Konflikt auf der privaten Ebene in einer Liebesgeschichte. Ein Ensemblestück mit aktuellem Zeitbezug, das musikalisch eine Melange aus Puccini und Jazz bietet.
Katharina Schmitt stellt INES vor. Der Titel bezeichnet keinen Frauennamen, sondern ein Akronym zur Bewertung von nuklearen Störfällen. Gemeinsam mit dem Komponisten Ondřej Adámek erarbeitet sie gerade ein Opernkonzept, das experimentell den Charakter von Raum und Klang zusammendenkt. Roths Kommentar dazu: Das wird wirklich „une bomba!“ Die beiden Uraufführungen tragen dem Wunsch des Kölner Publikums Rechnung, so Mulders, sich immer wieder ganz neugierig auf Unbekanntes, Risikoreiches und Unkonventionelles einzulassen.
Mit Belcanto als dem „wichtigsten Baustein im Repertoire eines jeden Hauses“ erklärt Mulders die Produktion von Donizettis L’elisir d’amore (Der Liebestrank). Es werde eine „fun party“ am Strand, sonnig, hell, fröhlich und sehr romantisch. Man dürfe sich auf die Liebeswirren der jungen Leute freuen. Weniger bekannt als Carmen und dennoch ein wunderbares Musikstück sind Les pêcheurs de perles (Die Perlenfischer) von Georges Bizet mit dem unsterblichen Duett von Tenor und Bariton. Nur konzertant, weil am Ende der Spielzeit, im Juni 2024, alle Signale bereits auf Umzug ins Haus am Offenbachplatz stehen werden, so der Intendant. „Wir müssen das Künstlerische mit dem Technischen verbinden.“
Warum man die Operette Die lustige Witwe von Franz Lehár in den Spielplan aufgenommen habe? Weil Operette ein sehr anspruchsvolles Genre ist, die Solistinnen und Solisten sprechen und mit ihrer Opernstimme singen müssten. Traditionell steht zum Jahreswechsel eine heitere Produktion auf dem Programm und hier seien Tanz und Kostüme spektakulär.
Aus dem frühen Barock bringt die Oper Köln Monteverdis L’incoronazione di Poppea (Die Krönung der Poppea) auf die Bühne. Das Stück habe Thriller-Potenzial, so Mulders, die Machtintrigen durchaus übertragbar auf die politischen Winkelzüge der heutigen Zeit. Sehr sinnlich wolle man diese Geschichte erzählen, eine Koproduktion mit Aix-en-Provence, die auch in Rennes, Valencia und Toulon zu sehen sein wird. Ebenfalls gar nicht lustig wird Mozarts einzige Choroper Idomeneo. Das große Drama um den Götter- und Familienkonflikt biete eine „Feinschmecker“-Oper, so Mulders, die Chorpartien seien einfach umwerfend.
Ein weiteres Polit-Drama dreht sich um den Königsmord auf offener Bühne, Verdis „Un ballo in maschera“ (Ein Maskenball). Die Produktion wird dem Kölner Publikum ein Wiedersehen und -hören mit Astrik Khanamiryan, der Turandot der aktuellen Spielzeit, bescheren. Zimmermanns Die Soldaten erfahren in der umjubelten Produktion aus 2018 allerdings kein Wiedersehen. François Xavier Roth führt das Stück in der Kölner Philharmonie halbszenisch auf, „aber mit völlig neuen, überwältigenden“ Klangerlebnissen, konzipiert für „die schönsten Philharmonien“ in Köln, Hamburg und Paris. Kein anderes Orchester der Welt spiele Die Soldaten so großartig wie das Gürzenich Orchester, so mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein der GMD.
Als Wiederaufnahmen sind Tosca, Peter Grimes, Hänsel und Gretel sowie Così fan tutte in Vorbereitung. Die Kölner falten einen üppigen Fächer auf, zeigen sich zufrieden mit der Auslastung von 80% in der letzten Spielzeit und die beiden Macher Roth und Mulders rühmen sich gegenseitig für die wunderbare Zusammenarbeit. Nun heißt es also, im laufenden Betrieb den extrem aufwändigen Umzug ins Stammhaus am Offenbachplatz durchzuführen. Der Intendant zeigt sich zuversichtlich: „Wir werden das rocken“.
Als Moderatorenteam führten die Dramaturgin Svenja Gottsmann und der Chefdramaturg Stephan Steinmetz durch eine kurzweilig präsentierte und moderierte Pressekonferenz. Am 14. August 2023 beginnt der Vorverkauf für die neue Spielzeit, schon zu einem früheren Zeitpunkt aber werden Vorbestellungen möglich sein. Alle Informationen finden sich hier.