Gli Uccellatori oder Wie man Vögel mit der Angel fängt

Schräge Bühne, schräge Story, schräge Vögel … Die Vogelfänger  (Gli Uccellatori) in Köln sind ein Augenschmaus und eine Ohrenweide. Oder umgekehrt?  Egal – bevor ihr weiterlest, bucht sofort eure Karten für Samstag, den 7. April, wenn diese Opera buffa von Florian Leopold Gassmann zum letzten Mal aufgeführt wird.  Ein Muss!

Weder der Name des Werks noch der Komponist sagen euch etwas? Tranquillamente … die wenigsten Opernführer listen das feine, kleine Stück, das 1759 in Venedig uraufgeführt und knapp 10 Jahre später in Wien überarbeitet wurde. Klar, Wien, Kaiserhof, Übergang vom Barock zur Klassik. Mozart ist 12 Jahre. Also viele Rezitative, die der Dirigent Gianluca Capuano selbst auf dem Cembalo begleitet, und daneben Arien, Quartette, Duette und ein Quintett, dass es nur so perlt.

Also a bissel Papageno & Co iss scho … Da verdienen  drei einfache Jungs vom Land ihren Lebensunterhalt mit Vogelfangen – sie seien besonders für adelige Gaumen schmackhaft. Dann gibt es dort eine Contessa, um die der Marchese wirbt. Die allerdings hat sich in Cecco, einen der Burschen, verknallt und geht ihm gehörig an die Wäsche. Dieser wiederum ist das Objekt der Begierde der beiden Dorfschönheiten – die eine keck und sexy, die andere zupackend und burschikos. Nun dreht sich das Liebeskarussell und am Ende kriegen sich die richtigen. Das darf ich ruhig verraten. Denn: Wenn es um Liebe, Sex, Erotik in der Musik geht, dann bitte C-Dur. Und richtig. Viel davon heute Abend.

Nun hat der Librettist (kein geringerer als Goldoni) noch eine Räuberpistole in den Plot eingebaut. Pierotto soll einen Nebenbuhler aus dem Weg räumen (welchen, spielt fast keine Rolle). Er singt eine hübsche Arie über Mordwaffen: von der Pistole über den Dolch, vom Hammer über das Würgeseil. Dabei macht er natürlich alles falsch. Sieht aus wie Johnny Depp als Jack Sparrow (oops, Captain Jack Sparrow, so viel Zeit muss ein) und geriert sich wie dieser in allem recht einfältig, kommt aber schließlich mit heiler Haut davon.

Diese Opera giocosa verzaubert. Eine kleine Guckkastenbühne mit einer Schrägen und einer doppelflügeligen Bodenklappe, mit Blumen dekoriert, genauso wie die Outfits der Herren. Naja, sie stellen eben die Lockmittel für die flatterhaften Damen dar. Liebevolle Details kennzeichnen diese Produktion, die man original nach der Wiener Aufführung von 2015 nachgebaut hat. Die Kostüme sind von Beginn farblich für die jeweils am Ende zu erwartenden Paare abgestimmt. Die Contessa trägt ein goldenes Vogelnest als Hut, in dem drei ebenfalls goldene Eier kleben. Gerade zu Ostern ein heiteres Extra, ebenso wie das Riesenei, das zu den spärlichen Requisiten zählt.

In der letzten Szene treten le donne schon mal alle im Hochzeitskleid auf. Die zarte Mariannina kugelt in einem Pompom aus weißen Federn auf die Bühne. Entzückend, wie sie dies Federspiel entwickelt. Und köstlich, wie der weiße Vogel (zu dem gleich mehr) dabei ein bisschen ins Hintertreffen gerät.

Jean Renshaw kommt vom Tanz – wie Laura Scozzi, die gerade in Bonn den Echnaton inszeniert hat. Sie fügt in das ewige Spiel des Begehrt- und Verschmähtseins eine Kunstfigur ein, die so nicht zur usprünglichen Oper gehört. Bewundernswert geschmeidig rollt, dreht, stolziert, spagatet ein Tänzer am Boden, in der Luke, auf dem Stuhl, halb im Off, ganz präsent. Weiße Fächer, die er kunstvoll führt, sind Vögel, die es zu fangen gilt. Bei Todesgefahr für den begehrten Cecco tauscht er sie gegen schwarze ein, und am Ende verhilft er als matchmaker dem unsicheren Marchese zu seiner Partie, der Contessa. Stets in weiß zu sehen, wie ein eleganter Bibo aus der Sesamstraße. Er spiegelt  das Geschehen (wie ein antiker Chor?), vielleicht auch als alter ego der Contessa, die ebenfalls nur in Weiß erscheint?

Ein Hauch von sozialen Unterschieden der Ständegesellschaft? Die Adlige hat sich in den Vogelfänger verguckt, der aber bauernschlau weiß, dass er mit dem Standesunterschied nie mehr Ruhe in seinem Leben haben wird. Kein Giovanni-Verführer, kein Figaro-Konflikt, keine Zauberflötenloge … alles heiter und ohne Tiefgang. Beste Unterhaltung also.

Und mit beste meine ich allerbeste. Das Gürzenich Orchester spielt großartig, mit dem Witz, den diese Oper braucht. Aber die Sängerinnen und Sänger! Ausnahmslos Mitglieder des Internationalen Opernstudios der Oper Köln. Fabelhafte Stimmen, jede einzelne. Ein Genuss!

Lassen wir den Fachmann zu Wort kommen, einen „Freund des himmlischen Gesangs“. Holger Miller ist ehemaliger Flötist des Gürzenich Orchesters und schrieb mir folgende Nachricht.

Holger Miller
Liebe Freunde höchster Ansprüche,
noch berauscht vom gestrigen Abend im Staatenhaus der Kölner Oper empfehle ich dringend den Besuch der Oper „Gli Uccellatori“ (Die Vogelfänger). Auf ein sängerisch, schauspielerisch so überragendes Ereignis hat man in der Kölner Oper bisher vergeblich gewartet. Also bitte: nichts wie hin!

Dem schließe ich mich aus vollem Ohr, Auge und Herzen an.

Hier noch schnell die Besetzung mit Namen, die wir uns merken sollten. Von diesen jungen Sängerinnen und Sängern werden wir noch hören. Bestimmt!

Maria Kublashvili als Contessa
Dino Lüthy als Marchese
Sara Jo Benoot als Roccolina
Hoeup Choi als Cecco
Maria Isabel Segarra als Mariannina
Yunus Schahinger als Pierotto
Young Woo Kim als Toniolo
Martin Dvorak als Un Uccello (der Tänzer)

4 comments

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  1. Ursula Hartlapp-Lindemeyer

    Die Besetzung wurde komplett gestellt vom Opernstudio der Kölner Oper. Diese erlesenen jungen Sängerinnen und Sänger werden maßgeblich unterstützt von den Opernfreunden Köln und werden betreut von Rainer Mühlbach. Letzter Zugang ist Yunus Schahinger (Pieretto), ein Basso profondo. Das Opernstudio gestaltet die Kinderopern, die ohne das Opernstudio nicht denkbar sind.

    Gefällt 1 Person

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