Es war ein Fest! Fröhlich, farbig, frech und auch ein bisschen feierlich. Wir haben geschmunzelt, gelacht, gestaunt und mir – die ich ein bisschen rührselig bin – kamen bei zwei Nummern die Tränen. Einfach bravourös, was 140 Jungen und Mädchen zwischen 6 und 26 mit dem Beethoven Orchester Bonn auf die Bühne brachten. Aller Anfang ist … musikalisch! Die italienische Tonleiter Do, Re, Mi nahm mit den Kleinsten Gestalt an. Do für die Wellen der Donau, Re für das scheue Tier und Mi – das bin ich. Auf Englisch und nur in der Aussprache und deshalb phonetisch korrekt. Singen hat einen immensen Einfluss auf das innere Wachsen, auf die Ausbildung von Persönlichkeit.
Das bestätigten Maren Wockenfuß, Benedikt Schwerdtfeger und Sara Engels, die als erwachsene Gastsänger für das Jubiläumskonzert nach Bonn kamen. „Hier ist ein Stück Heimat. Wenn du auf die Bühne kommst, diese Weite spürst, die Größe und den Bühnenstaub schnupperst … dann bist du zu Hause.“ Was gibt das Chorsingen einem für’s Leben mit? „Präsent sein, im wahrsten Sinne des Wortes für etwas stehen, Selbstvertrauen entwickeln.“ Und das Verhältnis der Sängerinnen und Sänger untereinander? „Selbst wenn wir uns 10 Jahre nicht sehen, dann ist in 0,1 Sekunden die alte Vertrautheit wieder da. Dieser Spirit trägt die ganze große Gruppe.“

In der Tat – ohne das Füreinander gäbe es das Miteinander wohl kaum. Besonders deutlich zu sehen in der Choreografie, die Dirk Weiler mit dem Chor einstudiert hat. Auf- und Abgänge, Tänze, die Grundschulkinder flankiert von fast erwachsenen Jugendlichen, die behutsam die perfekten Gruppenarrangements nachjustieren. Es gibt große Bilder mit Seitenflügeln und Fächern in der Mitte, Tüchertänze, quirlende Regenschirme, swinging moves, sidesteps, einen Solopart und sowie einen Schirmspagat. Einfach klasse, wie die Regie das anlegte.
Wie sagte Bernhard Helmich im Grußwort? Viele Intendantenkollegen müssen von großen Produktionen Abstand nehmen, weil der Kinderchor die notwendige Klasse vermissen lässt. Sie schauten mit großem Neid auf Bonn, wo sich das ganz anders gestaltet. Große Repertoire-Opern wie Carmen, Hänsel und Gretel, die Zauberflöte, Turandot und Pique Dame verdanken dem Kinder- und Jugendchor die ganz besonders zauberhaften Szenen. Im Konzert gab es daraus Kostproben vom Feinsten.

Was kam sonst zu Gehör? Musical- und Filmnummern, die emotional am dichtesten waren. Der Circle of Life aus dem König der Löwen, Tomorrow aus Annie sowie Singing in the Rain als auch Follow the Yellow Brick Road aus dem Zauberer von Oz hatten Schwung, musikalische und gesangliche Größe. Und wer widersteht schon der himmlischen Melodie des Somewhere over the Rainbow? Das Publikum im Opernhaus war vor Begeisterung aus dem Häuschen: Lange Applause für Szenen, Stücke und Einzelauftritte – und stehende Ovationen für die Gesamtleistung. Das Glück vom Dabeisein auf der Bühne sprang als Funke auf die Zuhörer und -schauer über. Was für ein großartiges Programm!
Wie aus einem Guss also das Programm, der Tanz und die Musik. Alles arrangiert und einstudiert von Ekaterina Klewitz. Sie zollte erst einmal dem Beethoven Orchester Bonn großen Respekt. Zwischen regulärem Spielplan und Proben für die Premiere von Echnaton am darauffolgenden Tag fanden sie Zeit für Proben und Auftritt. Und brachten Lust mit, diesen Potpourri an populären Melodien zu spielen. Frau Klewitz stand am Pult … was zwangsläufig nach sich zog, dass der Chor sie nur über Monitore sah. Da herrscht ein großes Verständnis und mehr als good vibes zwischen den echten und den angehenden Profis.
Ja, die kamen im Interview auch zu Wort. Hannah Schiller brachte die Sache gleich auf den Punkt. Sie, die schon in TV-Produktionen mitspielte, mag das spot-on Gefühl auf der Bühne. „Beim Drehen machst du die Szene so oft, bis sie stimmt. Hier muss alles beim ersten Mal richtig sein.“ Scarlett Pulwey studiert mittlerweile Gesang an der Musikhochschule Köln und ist so froh, dass hier im Chor der Grundstein für einen Beruf in ihrem Lieblingsfach gelegt wurde. Merle Claus zeichnete sich als Zauberflötenknabe aus. Das Hinter-den-Kulissen-Geflüster sagt auch ihr eine musikalische Karriere voraus.

Thomas Bade moderierte den Jubelabend: professionell in der Sache, engagiert als Chorkindvater und ein bisschen frei in der Bühnenfolge. So erntete er einen Lacher, als er bei einer Nummer vor dem Finale auftauchte, um das nächste Interview einzuleiten, und als er die Choreografie von Verbeugung und Applaus durcheinander wirbelte. Das Publikum mochte diese kleinen nicht konzertkonformen Abweichungen. That’s life. Live!
So locker wünschen wir uns Moderation. Und so einfühlsam, wie wenn der Moderator merkt, dass die Gefühle die Gedanken übermächtigen. Ekaterina Klewitz war tief berührt von dem sensationellen Erfolg und es gelang ihr, ganz kurz die Leistung der Kinder und Jugendlichen zu würdigen. Neben Schule, Sport, Klausuren so viele Proben zu absolvieren, Texte zu lernen, Choreografien einzustudieren … das verdient größten Respekt. Wie ihr das gelänge, 120 Wirbelwinde zu zähmen und zum gemeinsamen Singen zu bringen, fragte Thomas Bade. Mit zwei Grundeinstellungen, die sie auch allen Lehrerinnen und Lehrern empfiehlt: LIEBE und GEDULD. Und dass Disziplin dazugehöre, versteht sich von selbst.
Beim Schlussapplaus teilt sich die Kinderschar, um für Ekaterinas Gang vom Pult zum Bühnenrand ein Ehrenspalier zu bilden. Alle, aber wirklich alle im Publikum springen von den Sitzen und stimmen in ein Konzert der besonderen Art ein. Tosender Applaus, anerkennende Pfiffe, Johlen, Bravorufe. Blumenbouquets von allen Seiten und ein pinkes Paket. Daraus lupft sie ein neues Maskottchen: einen handgefertigten Plüschbär mit dem Emblem des Theater Bonn auf der Brust. Der begleitet sicher demnächst die Proben und Auftritte als Glücksbringer.

Was bleibt, sind Bilder einer wahrhaft bunten Truppe. Offensichtlich war der dresscode diesmal nicht schwarz-weiß, sondern unten-schwarz-oben-einfarbig. Das war sehr schön anzusehen und gab dem Konzert eine lockere Nonchalance, so ganz natürlich eben. So ganz nach der Natur war auch die Zugabe. Bei den Kleinsten war die Luft raus. Morgens noch Generalprobe, dann zweieinhalb Stunden Programm. Ein Gähnen hier, ein stummes Stehen dort: gleich ist es geschafft. Umso schwungvoller bis zum Schlussakkord das tutti: Das Glück war sichtbar in den strahlenden Gesichtern!
Toller Text zu einem supertollen Konzert. DANKE!
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