Seit Beginn der Spielzeit 2017/18 hat Bonn einen neuen GMD (Generalmusikdirektor) an Bord. Dirk Kaftan machte sich in der Oper mit der furiosen Musik von Penthesilea (Othmar Schoeck) vom Auftakt an – also im wahrsten Sinne des Wortes – einen Namen. Und ihr, liebe und hochverehrte Leserschaft (haben wir uns eigentlich schon mal über das Duzen oder Siezen geeinigt?) wisst ja bereits, dass ich eine Vorliebe für das sprichwörtliche „nomen est omen“ habe und für mich Namen eben keineswegs „Schall und Rauch“ sind.
Beginnen wir mit einer Anekdote aus meinem Arbeitsleben in einem Bildungsinstitut. Und da passierte Folgendes. Ein einwöchiger Intensivkurs „Finanzbuchhaltung“ war geplant, die Referentin fiel aus, empfahl einen Ersatz. Ein Herr Kaftan sollte das Seminar übernehmen. Soweit so gut. Am Montagmorgen zu Beginn des Kurses lerne ich ihn eher zufällig am Kopierer kennen. Wir plaudern ein wenig und auf seinen etwas ungewöhnlichen Namen angesprochen, befindet er: „Bei einem Kaftan handelt es sich um ein sehr schönes Kleidungsstück für Männer.“ Und damit hat er natürlich recht, weiß aber ja nicht, worauf ich hinaus will.
Aber ob er denn entfernt verwandt, verschwägert mit dem neuen GMD in Bonn sei. „Der Dirk, ja … lassen Sie mich überlegen. Vielleicht ein Cousin zweiten Grades …“ – „Also auf jeden Fall stammen beide aus einer weit verzweigten Eifeler Sippe“, führe ich den Gedanken fort. „Nö“, erwidert er, „der Dirk kommt aus Wittlich, aber wir sind die Kölner bucklige Verwandtschaft“.
So klein ist die Welt. El mundo es un pañelo. It’s a small world. Wer bietet mehr? En francais, italiano, russkyi, polski, svenska undsoweiter. Das Sprichwort gibt es wohl in jeder Sprache. Verblüffend bei der Begegnung mit dem Referenten-Kaftan: eine große Familienähnlichkeit. Von mittlerer Größe, drahtig trainiert, kurzes graues Haar und ein offenes Lachen.
So traf ich unseren Dirk Kaftan auch. (Man und frau auch verzeihe mir die zahlreichen Abschweifungen. Vor Urzeiten habe ich meine Staatsarbeit über die Digressionen der großen Erzähler des 18. Jahrhunderts geschrieben. Das hat wohl ein Abschweifungstrauma bei mir ausgelöst, sodass ich immer auch auf Seitenwegen unterwegs bin. Aber seid beruhigt. Ich finde stets zum Haupterzählstrang zurück.)
Also im Kernteam der Opernführer hatten wir ein Werkstattgespräch zu Carmen und verlassen die Oper über den Bühneneingang, nachdem das Tageslicht sich gerade verabschiedet hatte. Da saust er auf dem Rad an mir vorbei, schließt sein Fahrrad ab und kettet es fest. Man weiß ja nie, Fahrradklau hat sich ja zur flächendeckenden Bedrohung in Bonn entwickelt.
Ich fasse mir ein Herz, spreche Dirk Kaftan an, indem ich daran anknüpfe, dass wir uns kürzlich beim Werkstattgespräch zu Penthesilea ausgetauscht haben. Er nickt, ja er erinnert sich gut. Und ob ich ihn denn mal für meinen Blog interviewen dürfte. Vielleicht weniger zu seinen musikalischen Meriten als eher zum Menschen hinter/am/mit dem Taktstock. Er schmunzelt, als er erfährt, dass ich ihn in der Besprechung der Penthesilea-Premiere „der mit dem Orchester tanzt“ nannte. Der Mann hat Humor; das trifft sich gut. Und ja, gerne trifft er sich mit mir zum Hintergrundplaudern. Sprach’s, zückte seine Visitenkarte und verabschiedete sich. „Aber jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss zur Probe“.
Na klar. Wie ein verliebter Teenager, der ein Autogramm seines Idols ergattert, schwebe ich einen kleinen Zentimeter über dem Boden. Für einen Moment. Dann gehe ich sehr beschwingt die paar hundert Meter am Rhein entlang zu meinem Auto. Nun steht die Karte wie eine Trophäe auf meinem Schreibtisch. Was er mir alles anvertraut hat, lest ihr demnächst hier: im Gesprächsbericht live aus der Oper.
Ach ja, und wo wir den Nachnamen bereits erläutert bekommen haben, lüften wir auch die Bedeutung des Vornamens. Bei Dirk handelt es sich um eine Form von Dietrich, dem mächtigen Herrscher über das Volk. Was sagte ich doch gleich zu Beginn? Nomen est omen? Daran zweifelt ihr noch? Wer, wenn nicht ein Dirigent, macht diesem Namen alle Ehre?