Aus den Herzstücken von Bizets Carmen gab es heute Kostproben zur Matinée im Foyer der Oper Bonn. Don José versucht ein letztes Mal, seine Angebetete für sich (zurück) zu erobern und dazu ließ Felipe Rojas Velozo seinen strahlenden Tenor in der Blumenarie erklingen.
Hier von Jonas Kaufmann:
Dass die Geschichte nicht gut ausgeht, besingt Niina Keitel berührend und vorausschauend in der Kartenspielszene: Alle Karten, die sie aufdeckt, zeigen den Tod. Dazu vollführt sie eine Geste, als ob das Fallbeil der Guillotine auf den Hals der Verurteilten niedergeht.
Niina Keitel, Rosemarie Weissgerber, Manon Blanc-Delasalle,
Sophie Jacquet, Bernhard Hartmann
Warum die beiden nicht zueinander finden, erläuterte Sophie Jacquet, szenische Leiterin der Inszenierung von Carlos Wagner. Ihre – charmant französisch angehauchte – Eingangsfrage ans Publikum: schlechtes Deutsch oder geschmeidiges Englisch? Das Matinée-Publikum entschied sich für erstere Variante. Gut so. Denn die Oper hat trotz spanischen Sujets viel Französisches. Was bedeuten diese Einflüsse? Und warum hat Escamillo so offensichtlich leichtes Spiel bei Carmen?
Landläufig heißt es ja, Gegensätze ziehen sich an. Aber wer ein paar Erfahrungen im richtigen Leben gesammelt hat, bestätigt vermutlich, dass sich eher die Ähnlichkeiten als tragfähig erweisen. Also Carmen hat FREIHEIT auf ihre Fahnen geschrieben. Sie liebt Don José wohl, aber dass er beim Zapfenstreich auf die Trompetenklänge mit sofortigem Aufbruch reagiert, ist ihr völlig unverständlich. Regeln und Gehorsam sind ihre Sache nicht. Er wiederum spricht von LIEBE, auf die Carmen sich nicht einlassen kann. Sie tanzt leichtfüßig, legt es nicht einmal bewusst darauf an, die Männer reihenweise zu verführen. Das passiert einfach.
Was erwartet uns denn in der Premiere am 5. November? Zunächst einmal eine Musik, die mitten ins Herz und bei vielen auch in die Tanzbeine geht. Eine eigens engagierte Choreografin, Ana Garcia, selber Flamencotänzerin, probt mit den Sängerinnen und Sängern. Und das unter höchstem Zeitdruck. Besonders Dshamilja lernt schnell, verrät Sophie Jacquet. Pro Akt muss alles nach einer 3 1/2 stündigen Probe sitzen!
Wie auf einer Perlenkette reiht sich Highlight an Highlight, fügt Marco Medved, Leiter des Opernchors, hinzu. Keine andere Oper erzeugt wie Carmen ein Hit-Feuerwerk der populären Musik. Und das – ähnlich wie bei Verdi – ganz im Sinne des Komponisten. Die Hits unvergänglich, die Verballhornungen zwischen witzig und charmant und platt. Ja, es handelt sich um eine französiche Oper, die Leichtigkeit und Eleganz zum Ausdruck bringt. Alle Szenen ohne Carmen sind definitiv französisch, der Rest dann spanisch.
Auf der Bühne sind nun „Menschenmassen“ zu arrangieren: der Opernchor, der Extrachor und der Kinder- und Jugendchor. Marco Medved strahlt, wenn er über die Arbeit an Carmen spricht. „Die Sängerinnen und Sänger haben bei den letzten Produktionen Unglaubliches geleistet: „The Gospel according to the other Mary“, „Peter Grimes“, „Penthesilea“ – da wurden dem Chor Höchstleistungen abverlangt. Nun freuen sich alle auf die großartige Musik und fantastische Chorszenen. Der Chor stellt in den einzelnen Akten die Frauen in der Zigarrenfabrik dar, die jungen Soldaten, die Schmuggler und schließlich die einfachen Leute bei der Corrida, dem Stierkampf in der Arena. Und selbst wenn er nicht zu sehen ist, steuert er Gesang bei: Als Don José Carmen ersticht, ertönt im Hintergrund der „Toreador“.
Noch bevor Marco Medved seinen Blick auf die Bonner Carmen ausmalte, hatte Sophie Jacquet (be-) schwörend die Hand gehoben. Ohne sich einschmeicheln zu wollen: Der Bonner Opernchor sei der beste, mit dem sie je gearbeitet hat. Das war dem Matinée-Publikum einen Extra-Applaus wert.
Eine Randnotiz: Die Habanera, das Lied über die Flatterhaftigkeit der Liebe, stammt nicht aus der Feder von Georges Bizet. Er hatte ursprünglich eine Tarantella komponiert, die er aber dann durch Stück El Arreglito von Sebastián de Yradier ersetzte. Wäre das ohne Carmen wohl weltberühmt geworden?
The bottom line, wie der Engländer sagt: Liebe heißt nicht, einander unentwegt tief in die Augen zu sehen. Liebe heißt, in die selbe Richtung zu blicken. Wenn der eine aber nun der romantischen Liebe verfällt und sich auf ein Leben mit einer gesicherten Laufbahn, einer schönen Frau und Kindern freut, während die andere ihre persönliche Freiheit – in der Liebe und im Leben – erstrebt … dann folgt „l’amour et la mort“.
Wir sehen uns – live in der Oper. Hier oder dort.
Wenn man diesen fantastischen Bericht gelesen hat, könnte man – auch ohne dabei gewesen zu sein – behaupten, dass man dabei war !!
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Bravissimo cara mia!!!!!!!
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