Oper von hinten

Ja, so gestaltet sich eine ganz neue Opernerfahrung. Sie haben es gesehen oder gelesen: Beim Bühnenbild, das Johannes Leiacker für Peter Konwitschnys Penthesilea entworfen hat, sitzen einige – und zwar nicht wenige Zuschauer – hinter dem Podium, der weißen Spielfläche, auf der sich das Drama entfaltet. Wie im Boxring, könnte man meinen, wenn die Kontrahenten von allen vier Seiten bestaunt und angestachelt werden. Ich bin davon überzeugt, dass dies exakt der dramaturgische (Hinter-) Gedanke war. Und das sah so aus.

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Hier wurde kein Voyeurismus stimuliert, sondern eine aktive Teilnahme am Geschehen, am Liebesglück und den tödlichen Schüssen. Eins, zwei, drei Mal schießt sie auf ihn, der bereits wehrlos am Boden liegt. Und schließlich die vierte Kugel für die eigene Schläfe.

Mitfürchten soll das Publikum sich, mitleiden ebenfalls. Um schließlich als bessere Menschen aus dem Theater zu gehen. So hautnah war Oper nie. So ganz zu Ohren, Augen und Herzen gehend der Konflikt, die Leidenschaft und der tödliche Ausgang auch.

Wie war es denn mit der Lautstärke, mögen Sie fragen. Bekamen wir auf den Bühnenplätzen Schmerzensgeld für die lauten und expressiven Passagen des Orchesters? Nein, selbstredend nicht. Der Schall fällt bekanntlich nicht von oben herab. Aber … wenn alle Chormitglieder sich plötzlich von den Stühlen rechts und links erhoben und ihre warnenden Laute in edelstahlblanken hohen Tonlagen ertönen ließen, dann bedeckten doch einige die Ohren. Sogar ein „aua“ war zu hören. Ja, das war laut!

Der Benefit der „Hinteransicht“? Wir entwickelten Verständnis dafür, wie hochkonzentriert alle auf der Bühne arbeiteten. Dirk Kaftan war über zahlreiche, auch im Saal verteilt aufgehängte Monitore zu sehen. So viele Einsätze passgenau hinzukriegen – Chapeau! Was über die Monitore ebenfalls erlebbar wurde: Die tatsächlich nahezu sportliche, auf jeden Fall aber physisch höchst anspruchsvolle Leistung des Maestro. Darf man das sagen … der mit dem Orchester tanzt?

Für alle, die in den Genuss der Bühnenplätze kamen, war der Blick hinter die Kulissen ja ein Mitspielen an der Bühne, die aber vor den Zuschauern lag. Verkehrte Welt mit tiefer Bedeutung. Großartig, dabeisein zu dürfen!

Die beiden jungen Pianisten – Lucas Huber Sierra und Meri Tschabaschwili – hatten im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun. Und das nicht nur, wenn sie in die Tasten griffen, sondern vor allem auch, wenn sie die schweren Konzertflügel elegant über die Spielfläche manövrierten. Da war streckenweise nicht nur auf der Klaviatur viel los, sondern auch auf den Flügeln selbst. Von Kampfansagen bis zum Liebesspiel boten sie den Platz für viel „action“. Bleiben die  beiden wertvollen Instrumente  nach dem Ende der Spielzeit wohl ramponiert zurück?

Das kann am besten der Bühnenpianist Lucas Uber Sierra beantworten. Bei der Premierenfeier stellte er sich glücklich der Kamera und wir gönnten uns ein Bierchen zusammen. Musik verbindet!

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Wir sehen uns – live in der Oper. Vielleicht schon bei der Premiere für Carmen am 5. November 2017? Karten hier bei Theater Bonn.

 

 

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