Was ist in der Oper, wenn keine Oper ist?

Zugegeben, die Frage erscheint schlicht und ihr vermutet richtig: Sie bewegt sich unter meinem üblichen Sprachvermögen. Aber bleibt doch berechtigt. Liegt sie gelassen da am Rhein, die Bonner Oper? Lässt die Welt samt den niederländischen und belgischen Frachtschiffen an sich vorüberziehen? Und die hässlichen flachen Kreuzfahrtschiffe ebenfalls? Wartet dabei mit rheinischem Frohmut und fester Zuversicht darauf, bald grundsaniert zu werden ?

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Mitnichten, mitnichten. Tatsächlich geht es dort zu wie im Bienenstock. Nur die Choreografie scheint nicht so durchkomponiert wie so manches wunderbare Opernwerk. Dazu aber beim ersten Blick hinter die Kulissen, also ein andermal, mehr. Dann berichte ich von Probebühnen und Werkstattgesprächen, von Bühnenaufbau und Künstlereingang.

Wenn [www.theater-bonn.de] keine eigene Aufführung präsentiert, gastieren als Highlights international renommierte Tanzkompagnien oder Solokünstler in der Reihe http://www.quatschkeineoper.de

Am Wahlsonntag nun Ben Becker auf dem Programm mit seinem hochgelobten Ein-Mann-Stück Ich, Judas, uraufgeführt vor knapp zwei  Jahren im Berliner Dom.

Ben Becker, das ist doch der mit der versoffenen und verrauchten Stimme, nicht wahr? Stammt aus einer Schauspielerfamilie wie die Georges oder die Hörbigers. Nur eben nicht so bürgerlich. Mehr sex and drugs and rock n roll. Machte Karriere zwischen Märchenfilmen und Punk. „Den hörst du dir an?“ fragte eine Freundin entsetzt, „der ist mir viel zu aggro“.

Wer aggro auftritt (das Neuwort funktioniert also auch als Adverb), der provoziert, der fordert seine Gegner oder Gegenspieler heraus und rechnet damit, dass diese ihn angreifen. Wie wird das funktionieren mit einem Text von Walter Jens (Der Fall Judas), in Szene gesetzt von Becker selbst, dramaturgisch aufbereitet von dem sprachmächtigen Autor und Regisseur John van Düffel? Große Bühne für einen Verräter titelt der Berliner Tagesspiegel http://bit.ly/2jNVI1R über die Verteidigungsrede des Judas Ischariot.

War der Verrat für 30 Silberlinge ein abgekartetes Spiel, ein sauber eingefädelter politischer Masterplan, ohne den die Welt heute entschieden anders aussähe? Funktioniert die Ostergeschichte als Politthriller? Der Verräter als der wahre Heilsbringer?

Ben Beckers Bühnenpräsenz ist legendär: Was ihm an Pigmentierung in Haut und Haar fehlt, füllt er mit beeindruckender Gestalt, schauspielerischem Können und faszinierender Modulation der Stimme. Welch ein Volumen, was für eine Bandbreite!

Spielt er am 24. September, am Wahlabend, vor leerem Haus? Humorvoll, selbstironisch und gleichzeitig ein bisschen „full of himself“ wischt er die Befürchtung selber vom Tisch. Hier lest ihr sein Interview im Bonner General-Anzeiger.

http://bit.ly/2yt4ztg

Mein persönlicher Bonn-Berlin-Ausgleich beginnt mit der Preisfrage: Warum fährt jemand, der im schönen Bonn am Rhein wohnt, regelmäßig nach Berlin? Der Kinder wegen – wie alle Menschen 60+, deren Nachwuchs samt Enkelschar die Kieze Mitte, Prenzlberg und Wedding bevölkern. Das Gute daran? Ein paar Tage en famille und en passant das exquisite Kulturprogramm genießen.  Leider passten die Becker-Termine  nie zu meiner Agenda. Et voilà – was die Hauptstadt (mir) nicht bieten konnte, wird in der Bundesstadt nun zum intellektuellen Sonntagsschmaus.

Wer Lust bekommen hat, hier gibt es noch Tickets.
https://shop.derticketservice.de/theaterbonn

Wir sehen uns in der Oper Bonn. Immer live!

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