Kennen Sie Liebestöter?

Peter-der-Große-Konwitschny inszeniert Penthesilea in Bonn

Heute in exakt zwei Wochen wissen wir mehr: Wie der legendäre Peter Konwitschny Penthesilea  von Othmar Schoeck auf die Bühne bringt. Die Oper macht sich rar im Repertoire. Was unterscheidet sie von den Kassenschlagern wie Carmen & Co mit ihren Arien-Hits, die viele wie Gassenhauer trällern, schmettern, singen, anstimmen, summen oder pfeifen?

Der Countdown für eine Opernpremiere läuft, wenn das Opernhaus zur Matinée bittet. Knapp 100 Menschen finden sich sonntags um 11:00 Uhr ein und lauschen für exakt ein Stündchen einer Podiumsdiskussion der anderen Art. Vergessen Sie Polit-Talkshows mit ihren Ausweichmanövern: Hier geben die Akteure Butter bei die Fische, wie man im Rheinland sagt.

20170929_194653 (1)

Die erste Zutat für’s Sonntagsmenü kommt  in Gestalt von WDR3-Moderator Michael Struck-Schloen daher. Gut aufgelegt, kenntnisreich, mit Profi-Stimme. Ihm zur Seite die beiden Protagonisten, Penthesilea und Achill. Die beiden „Filet-Stücke“ das Sunday special versprechen durch ihre Gegenwart dem geneigten Publikum: Es wird eine Kostprobe geben. (Und zum Fleisch komme ich später noch mal zurück.) Wen wir vermissen? Den neuen Generalmusikdirektor und Dirigenten Dirk Kaftan. Ihn vertritt seine Assistentin. Und ganz nah an den Zuhörern sitzt er nun: Peter Konwitschny. Ihm eilt ein Ruf (naja, bei dieser Oper wäre die Metapher Donnerhall angebracht) voraus. Ein Menschen- und Frauenversteher, einer mit dezidierter Ethik und klarer Haltung. Einer, der entweder schwelgt oder radikal reduziert.  Auf den ersten Blick – und ich erlaube mir eine Analogie zum schnöden Medium TV – hat er durchaus Ähnlichkeit mit dem Anarcho-Späthippie-Vater des knarzigen Kommissars Thiel im Münster-Tatort.

20171001_103417.jpg

Für Konwitschny bedeutet der Prozess einer Inszenierung die Fleischwerdung seiner Ideen. Das Knochengerüst schildert er so:  seine Bescheidenheit ohne Allüren als Obermacker, sein Aufgehen in den Figuren, die Freude am gemeinsamen Schaffen.

Zutiefst menschlich äußerst sich sein Anliegen. Liebe verwechselt er nicht mit romantischem Geplänkel. Seine Figuren agieren in über sie hinausweisenden Kontexten. Sie entziehen sich den Regularien der Gesellschaftsordnung(en) um sie herum, die die Liebe töten.  Gesellschaftliche Normen wirken gleichermaßen als „Liebestöter“. Wie in dem Stoff mit dem „jungen Paar mit dem Balkon, Sie wissen schon“ prangert er an, dass zwei aus unterschiedlichen Systemen einander nicht lieben dürfen. Wie entfaltet sich denn nun die Handlung in Penthesilea?  Dazu Ausführliches in einem separaten Matilda-in-der-Oper Beitrag, hier und heute mehr zur Grundidee.

Am Ende sind beide tot. Der Zuschauer soll aber nun nicht weinen – die Katharsis durch das Mit-leiden wünscht Peter Konwitschny sich so: mehr Toleranz gegenüber Menschen, die nicht aus dem gleichen Kulturkreis kommen, sich aber verbinden wollen. Die politische Aktualität eines antik-mythologischen Sujets zeugt von seiner zutiefst humanistischen Haltung.

Die Liebe – sie bringt das mächtigste Momentum in Ereignisse auf allen denkbaren Ebenen. Othmar Schoeck hat knapp zwei Jahre nach der Uraufführung von Penthesilea ein Liebesduett dazukomponiert. Unter anderem, weil das Publikum sonst den Dreh- und Angelpunkt vermisst – dann kommt ja keiner! Darüber hinaus: Bei allem Kriegsgeschrei, bei Mord und Grausamkeiten zaubert das Liebesduett poetische Gedanken ins Geschehen – und das bezeichnet Konwitschny als eine gute Funktion der Liebe.

Dshamilja Kaiser (Mezzosopran) und Christian Miedl (Bariton) boten die Innigkeit des Liebesduetts heute meisterlich dar, ach was sag ich – „königlich“. So wie es Achill, dem strahlendsten der griechischen Helden,  und der Amazonen-Königin Penthesilea gebührt.

Karten  auch für die Premiere noch zu haben.   Theater Bonn Tickets

2 Kommentare

Add Yours

Hinterlasse einen Kommentar