Zur besten Krimizeit, am Sonntagabend, feiern in Köln die meisten Neuproduktionen der Oper Premiere. Eine längere Spieldauer als der beliebte Kölner Tatort haben die Opern in der Regel schon, dafür erlebt das Publikum alles live und in Farbe. Und nun, so verkündet der Intendant Hein Mulders, dreht der WDR einen Tatort sowohl im Staatenhaus als auch auf der Baustelle des Stammhauses am Offenbachplatz. Das Fernsehteam filmt bei dem Oratorium Die Schöpfung von Joseph Haydn, mit dem die Oper Köln in einer szenischen Aufführung die neue Spielzeit einläutet.
Als „eine wunderbare Show fürs Auge“ kündigt Mulders die Inszenierung an, in der sich die großen Ideen der Aufklärung und des neuen Humanismus vereinen. Die Komposition ist bekannt als ein monumentales Chorwerk auf der Grundlage der Bibel und des epischen Gedichts Paradise Lost von John Milton, uraufgeführt 1799 in Wien. Wie geschaffen sei es gewesen für den Auftakt im frisch renovierten Opernhaus – aber daraus wird nichts. Mit neuer Bauleitung sei nun ein angepasster Zeitplan vorgelegt worden. Die Oper hofft, dass der Umzug an den Offenbachplatz nun während der Spielzeit geschieht, da einige Produktionen tatsächlich nur dort stattfinden können. Zum Krisenmanagement der Oper Köln gehört auch, so der Intendant, für die Zeit der rechtlichen Untersuchungen der Causa Roth Ersatzdirigenten von Format zu verpflichten.
Bereits einen Tag nach der Schöpfung steht Elektra von Richard Strauss auf dem Programm (6. Oktober 2024). Auf die Choroper folgt also das „Urkraftstück“ mit den höchst anspruchsvollen Partien für die Solistinnen und und Solisten. Das Stück transportiert das archaische Drama von Rache, Schuld und Verstrickung mit einem Riesenschritt in die Musikmoderne des 20. Jahrhunderts.
Musikgeschichtlich geht der Spielplan dann wieder einen Schritt zurück. Orlando von Georg Friedrich Händel feiert am 17. November 2024 Premiere. Barockspezialist Rubén Dubrovsky dirigiert ein weiteres Mal das Gürzenich Orchester. Der Countertenor Xavier Sabata wird die Titelfigur interpretieren, die sich mehr an der Gender Ambiguität des Romans von Virginia Woolf als am Versepos von Ludovico Ariosto orientiert.
15 Mal hat die Oper Köln den Repertoire Renner Nabucco von Giuseppe Verdi auf den Spielplan gesetzt. Seit unglaublichen 66 Jahren wurde dieses Belcanto-Fest nicht mehr in Köln auf die Bühne gebracht. Auch in dieser Parabel von Hybris und Läuterung bestechen die Chorpartien, auf die man sich, von Chorleiter Rustam Samedov einstudiert, schon jetzt freuen darf. Daneben zeigte sich Mulders stolz, dass die italienische Sopranistin Marta Torbidoni für die Rolle der Abigaille zugesagt hat. Premiere am 17.11.24.
Die nächste Premiere erfolgt dann erst am 9. März 2025. Die Kölner wissen Bescheid. Die Cäcilia Wolkenburg spielt in der Zwischenzeit alljährlich vor dann immer restlos ausverkauftem Haus ihr Divertissimentchen, in dieser Spielzeit Die kölsche Fledermaus (vom 1. Februar bis zum 4. März 2025). Darüber hinaus gibt es ein Wiedersehen und Wiederhören mit beliebten Produktionen: La Bohème (Giacomo Puccini) am 22. Dezember, Carmen (Georges Bizet) am 23. März 2025 und Giulio Cesare in Egitto (Georg Friedrich Händel) am 5. Juli 2025.
Anfang März dann eben eine weiblich emanzipierte Regie des Don Giovanni (Wolfgang Amadeus Mozart) von Cecilia Ligorio . Ein feiner Cast mit einem Mix aus Mitgliedern des Kölner Ensembles und auswärtigen Gästen soll frische Farben in die allzu bekannten Gesangspartien der Oper bringen. Die nächste Produktion bedeutet für die Leitung des Hauses noch eine Zitterpartie. Die völlig neuartige Kombination der spätromantischen Märchenoper Le rossignol (Die Nachtigall) von Igor Strawinsky und Les mamelles de Tirésias (Die Brüste des Tiresias) von Francis Poulenc, einer opéra bouffe, benötigen die moderne Bühnentechnik des renovierten Opernhauses. Es soll mittels einer Drehbühne ein Theater im Theater geben, die selben Sänger in beiden Stücken, eine verrückt-diverse Revue. Geplant für den 26. April 2025, aber zurzeit noch vage.
Mit der Operette Eine Frau von Format hat die Oper Köln ein fast verschollenes Stück ausgegraben. Der jüdische Komponist Michael Krasznay-Krausz hat es 1927 verfasst und landete damit seinerzeit einen Sensationserfolg. Das Kölner Publikum erwartet ein „spielwütiges und gender-fluides Show-Spektakel“ (Programmbuch S. 41). In der Premiere am 11. Mai 2025 singen Annette Dasch und der Top-Verführer Wolfgang Stefan Schwaiger (O-Ton Hein Mulders) die Partien des Liebespaars.
Kaija Saariaho, die finnische Komponisten der betörenden Sphärenmusik, verstarb voriges Jahr und hinterließ als musikalisches Testament das Oratorium La passion de Simone, das sie sich unbedingt szenisch aufgeführt wünschte. Die Titelfigur repräsentiert Simone Weil, die französische Mystikerin und Philosophin, die nach einem Hungerstreik aus Solidarität mit den Opfern des zweiten Weltkriegs mit nur 34 Jahren starb. Das Oratorium kommt als Trance-Oper auf die Bühne, als asketisches, intimes Drama. Die Produktion erfolgt in Kooperation mit dem Kölner Festival Acht Brücken.
Gejubelt habe Adriana Bastidas-Gamboa, als man ihr die Partie der Hauptfigur in Maria di Buenos Aires von Astor Piazzolla anbot, so Mulders. Diese Maria ist viele, ist eine Heilige, lebendig und tot, die Personifikation der argentinischen Hauptstadt und der Seele des Landes. In Köln wird das Stück zum ersten Mal aufgeführt, am 24. Mai 2025 feiert es Premiere.
Die Oper Köln rundet das Jahr mit der Uraufführung eines Auftragswerks ab. Der Komponist Philippe Manoury entwickelt sein Thinkspiel, wie er die Oper nennt, auf der Grundlage des Dramas von Karl Kraus Die letzten Tage der Menschheit. Es entstand nach dem 1. Weltkrieg und rechnet in 220 Szenen mit den Gräueln und dem Wahnsinn des Geschehens ab. Das Besondere bei dem Projekt sind der Einsatz elektronischer Medien, für das Manoury eigens eine Programmiersprache konstruiert hat. Schauspieler und Sänger, Instrumentalisten und digitale Geräte verbinden sich im Sound und schaffen ein prozesshaftes Geschehen. Am 27. Juni 2025 erblickt das Werk das Bühnenlicht (der Welt) auf der Kölner Opernbühne.
Mit sichtlicher Freude präsentierten der Intendant Hein Mulders, Dramaturgin Svenja Gottsmann und Chefdramaturg Stephan Steinmetz sowohl das Programm der kommenden Spielzeit als auch den neuen Hausstil. Er dokumentiert sich auch im frischen Format des Programmbuchs mit Fotos von Teresa Rothwangl: „sinnlich, kreativ, mit großer Stahlkraft.“
Der aufwändige gestaltete Spielzeitführer liegt jetzt überall aus; der Kartenvorverkauf für die Spielzeit 2024/25 startet am 26. Juni 2024.